Ein Polizeivollzugsbeamter, der seiner Ansicht nach aufgrund unrechtmäßiger
gesetzlicher Regelungen des Landes Nordrhein-Westfalen vorzeitig in den
Ruhestand versetzt worden zu sein, verliert mögliche
Schadensersatzansprüche, wenn er die zweimonatige Ausschlussfrist des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) versäumt. Der elfte Zivilsenat
des Oberlandesgerichts Hamm hat jetzt ein erstinstanzliche Urteil des
Landgerichts Münster dazu bestätigt.

Der im Jahr 1947 geborene Kläger aus dem Münsterland war bis zu seiner
Pensionierung am 30. Juni 2010 als Polizeivollzugsbeamter für das Land
Nordrhein-Westfalen tätig. Auf seinen Antrag hin hatte sein Arbeitsgeber den
Eintritt in den Ruhestand bereits drei Jahre verschoben. Einen weiteren
Antrag um weiteren Verschub bis zum 30. Juni 2012 hinauszuschieben lehnte
das beklagte Land NRW im Jahr 2010 aufgrund bestehender landesrechtlicher
Vorschriften ab. Vom Kläger angestrengte verwaltungsgerichtliche Verfahren
hatten keinen Erfolg.

Der Kläger verlangt Schadensersatz mit der Begründung, das Land NRW habe mit
seinen gesetzlichen Regelungen zur stufenweisen Anhebung der
Regelaltersgrenze für Polizeivollzugsbeamte gegen die
EU-Diskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG verstoßen. Während er, der Kläger,
regulär wenige Monate nach der Vollendung des 60. Lebensjahrs in den
Ruhestand treten müsse, dürfte ein Polizeivollzugsbeamter des
Geburtsjahrgangs 1950 bis zur Vollendung seines 62. Lebensjahrs
weiterarbeiten. Durch die ihn wegen seines Alters diskriminierende
Behandlung des beklagten Landes seien ihm Dienstbezüge in Höhe von etwa
21.500 Euro entgangen und zusätzliche Versicherungskosten in Höhe von rund
4500 Euro entstanden. Diese Beträge habe das beklagte Land zu erstatten.

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ist das
Schadensersatzbegehren des Klägers erfolglos geblieben. Es liege zwar eine
Ungleichbehandlung des Klägers vor, dieser habe es aber versäumt, seine
Ansprüche innerhalb der im AGG geregelten, zweimonatigen Ausschlussfrist
geltend zu machen (gemäß § 15 Abs. 4 AGG).

Entgegen der Ansicht des beklagten Landes – so der elfte Zivilsenat des OLG
– seien die landesrechtlichen Regelungen zur gestaffelten Anhebung der
Altersgrenze für Polizeibeamte nicht nur am AGG, sondern auch an der
EU-Diskriminierungsrichtlinie 2000/78EG selbst zu messen. Nach den
landesrechtlichen Regelungen werde der Kläger wegen seines Alters gegenüber
anderen Landesbeamten ungleich behandelt. Zum einen habe der
Landesgesetzgeber die Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte von bisher 60
Jahren auf “nur” 62 Jahre hochgesetzt, während für andere Landesbeamte eine
Altersgrenze von 65 Jahren gelte. Zum anderen gelte für den Kläger eine
Übergangsregelung, die seine reguläre Altersgrenze nur um drei Monate
verlängere, während für jüngere Polizeivollzugsbeamte die reguläre
Altersgrenze stufenweise bis zur Vollendung des 62. Lebensjahrs angehoben
worden sei. Diese Ungleichbehandlungen seien eine unmittelbare
Diskriminierung des Klägers im Sinne der europäischen Richtlinie.

Ob sie im Hinblick auf die mit der Gesetzgebung des beklagten Landes NRW
verfolgten gesetzgeberischen Ziele gerechtfertigt seien, erscheine dem OLG
Hamm nicht unzweifelhaft. Die gesetzgeberischen Ziele seien in der
landesrechtlichen Regelung nicht angegeben und vom beklagten Land im
Hinblick auf die Vorschriften auch nicht so erläutert worden, dass
Angemessenheit und Erforderlichkeit der zur Zielerreichung eingesetzten
Mittel gerichtlich überprüft werden könnten.

Die Frage einer ungerechtfertigten Diskriminierung musste der Senat nicht
abschließend entscheiden, weil der Kläger die besagte zweimonatige
Ausschlussfrist versäumt habe. Von den ihn benachteiligenden Entscheidungen
des beklagten Landes und ihrer erfolglosen gerichtlichen Anfechtung habe der
Kläger bereits im Jahr 2010 erfahren, heißt es. Somit sei die
Ausschlussfrist jedenfalls Anfang des Jahrs 2011 abgelaufen gewesen, die
Schadensersatzklage wurde aber erst im Januar 2012 erhoben.

Oberlandesgericht Hamm
Urteil vom 3. Dezember 2014 – 11 U 6/13);
nicht rechtskräftig (BGH III ZR 04/15)
veröffentlicht am 19. Januar 2015