Der Bundesfinanzhof (BFH) zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht für die
Erteilung von Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B
(“Pkw-Führerschein”) und C1. Daher hat er dem Gerichtshof der Europäischen
Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob Fahrschulen insoweit steuerfreie
Leistungen erbringen.

Im hierzu vorliegenden Streitfall war die Klägerin unterrichtend tätig zum
Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 (Kraftwagen mit einer zulässigen
Gesamtmasse von höchstens 3500 bzw. 7500 kg und zur Beförderung von nicht
mehr als acht Personen außer dem Fahrzeugführer). Für ihre Leistungen hatte
die Fahrschule keine Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt.

Nach nationalem Recht sind Unterrichtsleistungen zur Erlangung dieser
Fahrerlaubnisse steuerpflichtig. Fahrschulen sind insoweit keine
allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, wie es in Paragraph 4
des Umsatzsteuergesetzes vorausgesetzt wird. Im Streitfall fehlte es zudem
an der dort genannten berufs- oder prüfungsvorbereitenden Bescheinigung.

Mit dem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs soll geklärt werden,
ob der Fahrschulunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 aus
Gründen des Unionsrechts steuerfrei ist. Im Bereich der Umsatzsteuer hat der
nationale Gesetzgeber die Bindungen der EU-Richtlinie 2006/112/EG über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) zu beachten. Setzt das
nationale Recht eine Steuerfreiheit der Richtlinie nur ungenügend um,
besteht für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, sich auf die Richtlinie
zu berufen. Entscheidend ist für den Streitfall daher, dass nach der
Richtlinie der Unterricht, den sogenannten anerkannte Einrichtungen oder
Privatlehrer erteilen, von der Steuer zu befreien ist. Weitgehend identische
Vorgängerbestimmungen gelten bereits seit 1979 mit verbindlicher Wirkung.

Im Streitfall bejaht der BFH den Unterrichtscharakter der Fahrschulleistung.
Die zusätzlich erforderliche Anerkennung könne sich daraus ergeben, dass der
Unterrichtende die Fahrlehrerprüfung abgelegt haben muss. In Betracht komme
auch eine Steuerfreiheit als Privatlehrer. Die Auslegung der Richtlinie sei
aber zweifelhaft, sodass eine Entscheidung des EuGH einzuholen wäre.

Die nunmehr vom EuGH zu treffende Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung
für die Umsatzbesteuerung der über 10.000 Fahrschulen in der Bundesrepublik
Deutschland. Sollte der EuGH eine Steuerfreiheit bejahen, wird sich die
Anschlussfrage stellen, ob Fahrschulen den sich hieraus ergebenden Vorteil
zivilrechtlich an ihre Kunden durch eine geänderte Preisbildung weitergeben.

Bundesfinanzhof
Beschluss vom 16. März 2017 – V R 38/16
mit
Pressemitteiung vom 26. Juli 2017

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